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Drachentöter
Also erstmal eins vorweg: Ich stimme mit der Meinung überein, dass jeder Mensch in seinem Leben mal einen Tiefpunkt hat - viele auch mehrere. Du kannst dir also gewiss sein, dass dein Problem durchaus verständlich ist =).
Ich kann eigentlich auch ziemlich gut dahintersteigen, was du so erzählst. Das Leben endet irgendwo in einem Trott aus Aufstehen, Arbeiten, Fernsehn, Schlafen (btw. haben die Franzosen dafür sogar ein geflügeltes Wort: "métro, boulot, dodo" [also "Metro, Job, Heia"], soweit hergeholt ist das Problem also nirgends). Ich denke, es ist falsch, eine 37-Stunden Schulwoche mit ner Ausbildung gleichzusetzen, aber so kann ich dir wenigstens noch ein letztes mal sagen, dass ich dir den Zeitverlust nachempfinden kann, zumal es nebenher ja auch noch andere Pflichten gibt =).
Nun weiß ich genauso auch, wie erdrückend sich das anfühlen kann und die Aussicht, dass es später mal so weitergeht, nicht unbedingt ermunternd ist. Gerade, wenn - wie es bei dir der Fall zu sein scheint - das alles irgendwo überhaupt keinen Spaß mehr macht, z.B. eben die Abteilung grottig ist, man oftmals allein irgendwo endet, etc., gerade dann fällt einem die Decke bröckelweise auf den Kopf...
Und ehrlich gesagt bin ich größtenteils auch der Auffassung von haebman, was die Bewältigung des Ganzen angeht. Du musst einfach versuchen, etwas draus zu machen. Du kannst überall nette Leute treffen - selbst, wenn die deiner Meinung nach nicht 'reif' genug sind (dazu weiter unten mehr ;_;"). Das wichtigste ist aber, dass du dein Leben nicht nur auf bestimmte Grundaktivitäten auslegst - sei aktiv, such dir gleich mehrere Hobbys und versuch irgendwie in Gruppen reinzukommen, wo du solchen Sachen nachgehen kannst (Hobbys sind immer der leichteste (Rück-)Weg ins sozial aktive Leben
). Die Hauptsache ist aber, dass du ganz schnell davon wegkommst, den Nachmittag als damit ausgefüllt zu sehen, dass du dich vor den Fernseher pflanzt und dass irgendwelche Aktivitäten - und sei's ein Spaziergang - zu anstrengend wären. Es ist nämlich genau andersherum: Jede Minute, die du vor dem Fernseher verbringst, weil es eben das einfachste ist, ist vergeudet ;P (so ist es übrigens auch mit anderen Stubenhockeraktivitäten).
Was du mit dem Trott machen musst, ist, ihn dort zu durchbrechen, wo du die Gelegenheit dazu hast. Du musst vielleicht jeden Tag zu geregelten Zeiten auf Arbeit sein - aber es befiehlt dir niemand anderes als dein Schweinehund, dass du daheim bleiben und sinnloser Rumhockerei frönen musst.
Was übrigens allgemein deine Bedenken gegenüber sozialem Umgang angeht: Klar gibt es Leute, die Drogenabstinenz als Spielverderberei und als schrullig empfinden - ich weiß das übrigens aus erster Hand
-, das darf dich doch aber nicht daran hindern, dir Leute zu suchen, die dafür Verständnis haben. Es gibt auf der Welt so viele Menschen, die nicht als oberste Priorität das Konsumwesen haben, sondern lieber mal mit ihrem Hund spazieren gehen, oder irgendwelche Hobbys verfolgen... Was mich eigentlich wundert, ist, dass in deinem Alter und damit sicherlich auch deinem Umkreis wirklich noch jemand glaubt, es käme auf Coolness oder sowas an... dann schau dich halt auch nach anderen Altersgruppen um - mein Gott, du stehst im Leben, gesetzlich betrachtet dürftest du mit allem was im Steuerzahleralter ist intim werden, da wird's ja wohl an der Freundschaft nicht hängen
.
Was aber im Übrigen ein ganz großer Fehler ist, das ist dieses "die anderen sind unreif"-Denken. So arrogant finde ich das garnich und ich bin auch nicht der Ansicht, dass Reife mit Lebensalter oder langjähriger Erfahrung (was im Endeffekt aufs gleiche rauskommt) einhergeht; es kann einfach ein Schicksalsschlag sein, oder ein bestimmter Lebensumstand, der das Quennchen Weisheit mehr gibt, oder man ist einfach reifer erzogen. Allein, ich kenne einen 12jährigen, der könnte vom Menschenverständnis und der Tiefgründigkeit locker 18 sein (wenns nach mir ginge wären übrigens alle Leute, die als 'reif' betrachtet werden ein klein wenig durchgeknallt) und ich habe einen Bruder, der mit 20 das Leben eines vorpubertären Nerds lebt. Ich hab übrigens auch die Meinung von mir selbst, irgendwie reifer als meine Altersgenossen zu sein - das ist eben so, ich bin mir auch sicher, es gibt genügend Leute, die sich schlauer als andere betrachten, oder als hübscher, oder sportlicher... Das nennt sich wohl zwischenmenschliche Barriere =).
Wie auch immer, es geht dabei eigentlich besonders darum, dass es überhaupt nicht reif ist, andere als 'unreif' zu betrachten. Wenn du Menschen was kindisches sagen oder machen siehst, dann sind die halt jung geblieben. Wenn Leute kindisch reagieren, über alles irgendwelche belanglosen Diskussionen führen müssen, oder sich sonstwie 'unreif' aufführen, dann ist das nunmal so. Ich bin mir sicher, jeder Mensch, auch die erfahrenen, die sich sonst keinen Fehler erlauben, sind irgendwo noch kindisch - das ist ganz gut so, weil zuviel Reife macht überexzentrisch.
Such dir einfach die Leute raus, die dir sympatisch sind - du wirst immer Fehler erkennen, vorallem, was die Reife angeht; aber dafür kann niemand was, schließlich kann man niemandem Vorhalten, er hätte noch keine wichtige Person verloren und wäre deshalb nicht zur Reife gezwungen worden oder ähnliches...
Die schon oben erwähnte Ausstiegsvariante des Hobbys. Nun viel schon das mit der Schriftstellerei - das ist ein großer Traum von dir? Na dann aber ab an die Tastatur ... so weit kannst du davon ja ganrich entfernt sein, schließlich hat hier jeder dein Problem eingehend verstanden und nach meiner bescheidenen Devise ist jeder, der der deutschen Rechtschreibung einigermaßen mächtig ist, schonmal ein gutes Stück an der schriftstellerischen Tätigkeit.
Lies ein paar Bücher, wenn du dir nicht sicher bist, ob dein Ausdruck was hermacht - ich hab meine erste wirklich lesbare Kurzgeschichte fertigbekommen, nachdem ich 3 Bücher von Wolfgang Holbein gelesen hatte (allerdings habe ich diesem Mann auch 3 Jahre lang ein Komma vor jedem 'und' abgewonnen, sowas mögen Deutschlehrer wiederum nicht). Übung macht den Meister, das gilt auch in der Schriftstellerei - denn hier hast du einen ganz entscheidenden Vorteil: deine Sprache gebrauchst du jeden Tag und um sie zu einem einheitlichen und fantasievollen Gebilde zusammenzuwürfeln, braucht es nur Fantasie und Hände.
Und es ist egal, ob das ganze komemrziell jemals was hermachen könnte - glaub mir, wenn du wirklich Spaß daran findest, dann hast du wenigstens eine Alternative fürs Fernsehen
.
Oder interessierst du dich vielleicht für Sport? Und wenns nur leichter ist (das vorweg: "Unheimlich motiviertes Rumsitzen" ist sportlich das beste, was ich selbst beherrsche), Leute joggen auch nicht für die Weltmedaille oder allein für die körperliche Fitness.
Kunst? Fotographieren und Zeichnen/Malen ist immer produktiv und bringt auf andere Gedanken, zumal du da mal selber die Fäden in den Händen hast und nicht nur schuftest, sondern auch schaftest ... äh, schaffst (mein Gott, ich habe jemanden mit einem übernatürlich flachen Witz getötet ._.").
Auch hier kann eigentlich keiner was von fehlendem Talent erzählen. Bis vor zwei Jahren hätte ich niemals auch nur daran gedacht, einen Bleistift für künstlerische Zwecke zu benutzen, bis mich dann meine Freundin angestachelt hat; seit letztem April sitz ich sobald mich die Lippen einer noch so kleinen Muse auch nur streifen mindestens 3 Stunden da und zeichne.
Wiederum benutze ich seit Anbeginn der Zeitrechnung (ja, ich leb in meiner eigenen Welt >_>) Fotoapperate, aber den Dreh zum Fotographieren hab ich auch erst gestern wirklich halbwegs rausbekommen...
Kannst du kochen? Essen macht jedem Menschen Spaß und die Antwort "weil sie gut kochen kann" kommt auch nicht von ungefähr. Auch hier findet man viel Ablenkung und - so ganz nebenbei - schmeckts (irgendwann
) auch ganz gut.
Musik? Instrument besorgen und los gehts - es gibt in jeder Stadt irgendwo Leute, die Musikschulen gründen und sei's nur irgendne Gitarrengruppe (die natürlich auch nette Mitglieder mit mindestens einem überlappenden Interesse besitzt). Oder du machst das halt für dich allein, auch gut - man braucht nur mal bei youtube irgendnen Indiesong und das Wort "cover" einzugeben und schon hat man eine Hand voll musikalischer Autodidakten.
Technik? Naturwissenschaften? Sprachen? Sachen wie Archäologie oder dieses ganze Myterienzeug, Psychologie? Für sowas gibts Klubs, Wettbewerbe und teilweise kostenlose Seminare zu Hauf.
Es braucht immer etwas Geduld und guten Willen, dann kannst du alles machen, was dir Spaß macht.
Also verstehst, es geht nie darum, dass sich das alles irgendwann mal ändert. Aber dein Körper ist dafür geschaffen, zu arbeiten UND auf deine Kosten zu kommen, auch, wenn du das im Moment nicht so empfinden solltest. Wenn dir eine Sache aber wirklcih Spaß macht, dann glaub mir, kannst du jede Erschöpfung, die dir nach 7 oder mehr/weniger Stunden Ausbildung aufkommt, überwinden.
Was übrigens Beziehungen angeht, so bin ich der letzte, der dir sagt: Such dir was! Vorallem, weil du tatsächlich so schlau bist, zu sagen, dass es dir nicht nur auf die Befriedigung (ob nun sexuell oder sozial) ankommt, denn das ist was sehr seltenes - was natürlich nicht heißen soll, dass es das hier im Forum nicht unzählige Male gibt, also verschone man mich mit Kommentaren wie "ich bin auch Single und stolz drauf!"
Aber was dir zu einem aktiven Alltag und einem erfüllten Leben verhilft, ist in erster Linie ebenso Zärtlichkeit und Liebe. Und ich denke, diese beiden Faktoren sollte man nie unterschätzen, weil beide ein wichtiger Teil der Befriedigung deiner Defizitbedürfnisse sind.
Am Besten lässt du es dahingehend aber sowieso kommen, wie es eben kommt - und auf mich hören musst du sowieso nicht ;P.
Zuguterletzt möchte ich noch den unqualifizierten Kommentar fallen lassen, der mir dazu verhilft, diesen Post zu etwas flamebaren zu machen:
Du hast jederzeit die Macht, etwas anderes aus deinem Leben zu machen. Es gibt genug Beispiele, die beweisen, dass es durchaus nicht unklug sein muss, seine Ausbildung für etwas anderes abzubrechen. Das soll dich nicht ermutigen, dein Leben hinzuschmeißen, keineswegs, und man muss sich auch immer vor Augen halten, dass eben jene Beispiele eienr Ausnahmen sind; aber eines ermöglicht unser Sozialstaat immernoch: Du hast zumindest die Chance, aus deinem Leben das zu machen, was dir am Besten gefällt. Wer weiß, vielleicht bist du zum Industriekaufmann geschaffen und machst deinen Weg auf diese Weise - ich bin mir sicher, dass du das ohne weiteres packen würdest ;P -, aber vielleicht wirst du doch irgendwann ein Schriftsteller, oder ähnliches, oder einfach ein selbstständiger Irgendwas (fuck, das klingt gemeiner, als es sollte =/ ).
Das wichtige ist, dass du dir vor Augen hältst, dass in deinem Leben nichts entgültig ist. Du kannst deinen Weg mit etwas Mut und Überwindung immer gehen und in jede Richtung lenken, die dir gefällt.
Oh, und jeder, der erzählt, es ginge nur auf eine Weise, der lügt selbstverständlich. Es ist dein Leben, also auch deine Chance, das so zu gestalten, wie es dir gefällt - auch, wenn es immer Risiken gibt, aber ohne wäre es ja auch langweilig ;P.
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